Neue Vollzugsempfehlung des Bundes darf vorläufig nicht angewendet werden!!
Hadlikon, 2. Juni 2021
Die neue Vollzugsempfehlung des Bundes für 5G-fähige Antennen wird im Moment von keinem Kanton angewendet!! Sie wird derzeit durch die BPUK (Konferenz der kantonalen Bau-, Planungs- und Umweltdirektion) fachlich und rechtlich geprüft.
Gemeinden sind jetzt dringend aufgerufen, entgegen der Weisungen des Bundes (z.B. gemeinsame Stellungnahme BAFU / BAKOM vom 3.5.2019) in Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht bezüglich Schutz der Bevölkerung und der Umwelt 5G-Moratorien zu erlassen, weil die BAFU-Vollzugsempfehlung wahrscheinlich rechtswidrig ist. Wesentliche Inhalte des neuen BAFU-Regelwerks vom Februar 2021 werden auch von den Verwaltungsgerichten der Kantone Bern und Zürich ernsthaft in Frage gestellt. Die ersten 5G-Fälle stehen derzeit beim Bundesgericht zum Entscheid an.
Wenn Sie von Mobilfunkprojekten betroffen oder besorgt sind, so schreiben Sie Ihren Gemeindebehörden und fordern sie diese auf, mit der Behandlung neuer oder bereits laufender Baugesuche für Antennen zuzuwarten, mindestens so lange, bis die BPUK ihre Prüfung abgeschlossen hat, immer auch mit dem Hinweis, dass 5G-Strahlung nicht gemessen werden kann und deshalb Abnahmemessungen bei 5G-fähigen Antennen nicht möglich sind. Die Gemeinden sind als Baupolizeibehörde verantwortlich für die Einhaltung der Grenzwerte, können dies jedoch nicht kontrollieren.
Es ist auch in keiner Weise nachvollziehbar, dass just ein Monat, nachdem die Expertengruppe des Bundes BERENIS endlich Mobilfunk-Schadwirkungen auch im Bereich der angeblich strengen Schweizer Grenzwerte bestätigt hat, der Bund eine neue Vollzugsempfehlung erlässt, die den Senderbetreibern erlaubt, noch stärker zu strahlen als bisher. Es ist deshalb höchste Zeit, die „Notbremse“ zu ziehen!
Brief an Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga
Hilfe – ich bin elektrosensibel!!
Sehr geehrte Frau Bundesrätin Sommaruga
Heute ist mein 60. Geburtstag! Ich feiere diesen grossen Tag im kleinen Kreis, weil der Bundesrat diesbezüglich Einschränkungen angeordnet hat, zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung, wie er sagt. Seit meinem 30. Lebensjahr - also genau mein halbes Leben lang - bin ich elektrosensibel und versuche, meinen Alltag mit dieser schwerwiegenden Beeinträchtigung zu meistern. Ich gelange heute an Sie, stellvertretend für immer mehr Menschen in unserem Land, die ebenso wie ich unter der bald allgegenwärtigen Strahlenbelastung aus Mobilfunk leiden. Es versteht sich von selber, dass ich weder ein Handy noch WLAN benutze.
Seit 22 Jahren „Strahlenflüchtling“ im eigenen Land
In den letzten 22 Jahren musste ich fünfmal meinen Wohnort aufgeben wegen gesundheitlicher Beschwerden und Schlaflosigkeit als Folge von Mobilfunkstrahlung aus Antennen in der Nachbarschaft, dies weit unterhalb der Schweizer Anlagegrenzwerte. Bereits mit 36 Jahren schied ich wegen meiner Elektrosensibilität aus dem Erwerbsleben als Direktionssekretärin aus und bin seither gezwungen, für ein Recht zu kämpfen, das in dem Land, wo ich geboren und aufgewachsen bin, eigentlich selbstverständlich sein müsste, nämlich das Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben. Sie engagierten sich in der Vergangenheit immer wieder für Asylsuchende und notleidende Menschen, damit auch diese ein menschenwürdiges Leben führen können. Warum aber lassen Sie uns Mobilfunkgeschädigten und „Strahlenflüchtlinge“ im Stich? Warum verweigern Sie uns elementare Grundrechte?
Ihre Grundhaltung im Jahr 1999, vor Einführung der NISV
An der Arena-Sendung „Antennenstreit“ im November 1999, kurz vor Inkraftsetzung der NISV, war ich nach meiner ersten „Wohnungsflucht“ als Direktbetroffene eingeladen. Als damalige oberste Konsumentenschützerin vertraten Sie die Seite der Betroffenen und Leidenden und machten sich für tiefere Grenzwerte stark. Die Videoaufzeichnung von dieser Sendung habe ich immer noch (auf Stick in Beilage). Ihre damalige Botschaft zu vermehrtem Gesundheitsschutz überzeugte, schien sie doch von innen heraus zu kommen. Viele betroffene Menschen, so auch ich, schöpften Hoffnung, dass sie und ihre reale Not von der Politik endlich ernst genommen würden und sie endlich Unterstützung erfahren dürften. Sie setzten sich in vorbildlicher Weise dafür ein, dass man dem Gesundheitsschutz und der Gesundheitsvorsorge das Rechtsprimat einräumen muss. So sagten sie:
- Man weiss bei diesen Grenzwerten, dass ganz viele Elemente noch nicht abgeklärt sind.
- Es ist ein falscher Ansatz, Liberalisierung gegen Gesundheit auszuspielen.
- Wir dürfen nicht Wettbewerb auf Kosten der Gesundheit betreiben.
- Ich bleibe im Kontakt mit den Leuten, die betroffen sind. Wenn man ein Haus hat, wenn man nicht wegziehen kann, dann ist man unmittelbar betroffen. Dann erwarte ich, dass man verhandelt, dass man sich an einem Tisch zusammensetzt, dass man nicht einfach ein Brief schreibt.
- Dass man über einen Baustopp diskutieren würde, wäre für mich an einem runden Tisch absolute Voraussetzung. Themen müssen offen sein, und es muss „b r e i t“ eingeladen werden.
Ihr Entscheid zu 5G und zur neuen Bewilligungs- und Vollzugsregelung mit der sogenannten „Vollzugshilfe“ stellt letztlich ein Verrat an all den Grundwerten dar, die Sie in der Vergangenheit vertreten hatten, sowie an der humanitären Tradition unseres Landes.
Die neue „Vollzugshilfe“ - Wortbruch des Bundesrates
Die neue „Vollzugshilfe“ ist in erster Linie eine Umgehung der Baubewilligungspflicht und eine unzulässige indirekte Erhöhung der NISV-Grenzwerte. Der Zweck dieses Regelwerks ist eine möglichst hindernisfreie Vollstreckung des Willens der Mobilfunkindustrie. Dies, obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung und die meisten Unternehmen flächendeckendes 5G ablehnen.
In Ihrer Medienmitteilung vom 23.2.2021 zur neuen „Vollzugshilfe“ behaupten Sie, dass die Grenzwerte unangetastet bleiben und dass der Erhalt des heutigen Schutzniveaus sichergestellt sei, wie Sie dies eigentlich versprochen hatten. Tatsache ist jedoch, dass mit der neuen Mess- und Berechnungsmethode der Sendeleistung die Grenzwerte nur auf dem Papier eingehalten, aber in der Realität zum Teil massiv überschritten werden dürfen. Dies ist eine Irreführung der Bevölkerung und der Bewilligungsbehörden, um über den wachsenden Widerstand hinweg den neuen Mobilfunkstandard flächendeckend durchzusetzen, für den weder eine Notwendigkeit noch ein öffentliches Interesse besteht.
Wie können Sie davon ausgehen, dass die Blockade in diesem Thema nun gelöst werden könne? Der Grenzwert wird faktisch auf fast das Dreifache erhöht. Dem Volk täuschen Sie eine nicht existierende Sicherheit vor. Antennenanwohner und Smartphone-Nutzer dürfen neu mit viel mehr Strahlung belastet werden als bisher. Und was ist mit uns, den vielen elektrosensiblen und bereits mobilfunkgeschädigten Menschen in unserem Land? Mit dem geplanten, immer dichter werdenden Antennennetz ist es für uns noch schwieriger, einen Ort zum Wohnen und Überleben zu finden, der nicht mit Mikrowellen-Dauerbestrahlung belastet ist? Laut der letzten offiziellen Umfrage sind es schon über eine halbe Million Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen. Wohin können wir noch fliehen? Wir sind in Not und brauchen Hilfe, Ihre Hilfe und zwar jetzt!
Biologische Gesundheitsschäden unterhalb der Anlagegrenzwerte offiziell bestätigt
Die BERENIS-Expertengruppe nichtionisierende Strahlen hat in ihrer Newsletter-Sonderausgabe vom Januar 2021 endlich oxidativen Zellstress und damit verbundene mögliche Gesundheitsschäden auch unterhalb der Anlagegrenzwerte zugegeben. Die BERENIS hat also zwei Dinge offiziell anerkannt:
- Erstens treten die negativen gesundheitlichen Auswirkungen auch unterhalb der angeblich strengen Schweizer Anlagegrenzwerte auf,
- und zweitens handelt es sich um nichtthermische, biologische Auswirkungen, die bislang entgegen der Erkenntnisse der unabhängigen Wissenschaft von den Schweizer „Fachexperten“ konsequent bestritten wurden.
Nach diesem Zugeständnis der BERENIS wäre der Bundesrat gestützt auf das Umweltschutzgesetz verpflichtet, das seit Inkraftsetzung der NISV kritisierte thermische Grenzwertmodell zu revidieren. Stattdessen tut er das Gegenteil: Er stimmt einem Nachtrag zur NISV zu, welcher eine indirekte Grenzwerterhöhung ist.
In einer Patentanmeldung gab die Swisscom bereits vor Jahren zu (Zitat):
«Wenn menschliche Blutzellen mit elektromagnetischen Feldern bestrahlt werden, wurde eine deutliche Schädigung des Erbmaterials nachgewiesen, und es gibt Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko.»
Swisscom-Patent W02004/075583A1 vom 24.02.2003, Zeilen 18-20
An der Verbindlichkeit dieser Aussage ändert auch die Tatsache nichts, dass die Swisscom dieses Patent inzwischen fallen gelassen hat.
Gesundheitsprimat ja, aber nicht beim Mobilfunk
Der Bund schützt das Volk vor Passivrauchen an öffentlich zugänglichen Orten und am Arbeitsplatz. Warum wird ihm der Schutz vor nichtthermischer Schädigung durch Mikrowellenstrahlung verweigert bzw. die Wahlfreiheit, wann und wie lange es sich Mobilfunk-Immissionen aussetzen will?
Im Zusammenhang mit dem Postulat Häberli-Koller gestand der Bundesrat ein, dass es den Behörden in Anbetracht der rasanten technologischen Entwicklungen gar nicht möglich sei, die aus technischer und wirtschaftlicher Sicht besten Netzwerkelemente, Netzstrukturen und Technologien zu bestimmen. Dies bedeutet letztlich nichts anderes, als dass Sie als Bundesrat zentrale Fragen bezüglich Umweltschutz und Vorsorgeprinzip immer mehr den Mobilfunkbetreibern überlassen. Die neue, massgeblich von der Mobilfunkindustrie auf ihre Interessen geprägte „Vollzugsempfehlung“ ist ein klarer Beweis dafür.
Im Zusammenhang mit Covid-19 appellieren Sie an die Bevölkerung, die Schutzmassnahmen einzuhalten, und verschiedene Wirtschaftszweige werden mit Einschränkungen geradezu drangsaliert, was für viele schwer nachvollziehbar ist. Dabei betont der Bundesrat immer wieder, dass die Gesundheit der Bevölkerung das Wichtigste sei und über wirtschaftlichen Interessen stehen müsse. Im Bereich Mobilfunk scheint dieser Grundsatz offenbar nicht zu gelten. Sie führen eine kaum erforschte neue Strahlungstechnologie ein, obwohl Sie wissen, dass bereits die bisher angewendete negative Auswirkungen auf die Gesundheit und auch auf das Immunsystem von Mensch und Tier hat. Und nun ignorieren Sie sogar die neuesten Erkenntnisse aus der aktuellen Evidenzbewertung Ihrer eigenen Expertengruppe BERENIS bezüglich nichtthermisch bedingter Gesundheitsgefahren.
Widerspruch zu den Energie- und Klimazielen des Bundesrates
Dass Mobilfunk auch einen Einfluss auf das Klima hat, wurde bislang noch kaum thematisiert. Wärmebildaufnahmen zeigen, dass Mobilfunkantennen, insbesondere adaptive 5G-Antennen, zu einer Erwärmung der Atmosphäre führen. Dies steht im Widerspruch zu den Energiespar- und Klimazielen des Bundesrates. Tatsache ist, dass insbesondere 5G auch zu einem höheren Energieverbrauch, zu mehr Endgeräten sowie zu mehr CO2 führt. Trotz allem wird immer noch behauptet, mit 5G könne nachhaltiger Umweltschutz betrieben werden.
Wachsender Widerstand gegen den weiteren Mobilfunkausbau
Was heute geschieht und welche dominante Rolle Ihnen im Bereich Mobilfunkentwicklung dereinst zukommen würde, hätten Sie sich vor 21 Jahren anlässlich der „Arena“-Sendung 1999 wohl kaum vorstellen können. Insbesondere für uns Elektrosensiblen bedeutet die gegenwärtige Entwicklung der absolute Supergau, weil wir nicht einmal in unseren privaten Wohn- und Schlafräumen Schutz vor noch mehr und noch aggressiverer Mikrowellen-Dauerbestrahlung finden.
Aufhorchen lassen müsste Sie die Tatsache, wie stark der Widerstand in der Bevölkerung seit der 5G-Einführung zugenommen hat. Derzeit sind gegen 2000 Einspracheverfahren gegen neue Antennenbaugesuche hängig. 95 % der Baugesuche werden bekämpft, und auch die verschiedenen kantonalen Moratorien sind gewiss nicht einfach die Folge sogenannter „Verschwörungstheorien“ zum Thema nichtionisierende Strahlung.
Mein Appell an Sie
Ein Grossteil der Menschen in unserem Land vertraute bislang darauf, dass der Bundesrat die Wahrheit sagt, aber jetzt fühlen sich immer mehr Bürger vom Bundesrat, vor allem auch von Ihnen, betrogen. Auch ich gehöre dazu. Ob Sie die zahllosen Briefe und Hilferufe, die in der letzten Zeit an Sie und an Ihr Departement gerichtet wurden, jemals erreichten?
Das Vorsorgeprinzip schreibt vor, dass auch wissenschaftlich wahrscheinliche und nicht nur mit abschliessender Sicherheit nachgewiesene Wirkungen zu berücksichtigen sind. Es liegt nun an Ihnen als UVEK-Vorsteherin, eine Revision des Grenzwertmodells zu verlangen und sofortige Notmassnahmen für einen echten Schutz der Bevölkerung und der Natur vor Gesundheitsschäden auch aus nichtthermischen Mobilfunkauswirkungen zu ergreifen.
Mit der von Ihnen abgesegneten neuen Bewilligungs- und Vollzugsregelung stellt sich die Schweiz selber ein bedenkliches Zeugnis aus bezüglich Gesundheits-, Umweltschutz und Achtung der Menschenrechte. Ich appelliere deshalb an Sie, sehr geehrte Frau Bundesrätin, sich im Bereich Digitalisierung für die Förderung nachhaltiger Technologien und Mobilfunkarchitekturen sowie für den Ausbau des Glasfasernetzes einzusetzen.
Ich bin mir bewusst, dass Ihr Amt als Bundesrätin und oberste Schweizer Umweltverantwortliche in der jetzigen dynamischen Zeit eine grosse Herausforderung darstellt und es für Sie nicht immer einfach ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie stehen jetzt nochmals an einem Scheideweg. Darum muss endlich auch ein „Ruck“ durch den Bundesrat gehen. Ziehen Sie dieses unhaltbare neue „Vollzugshilfe“-Regelwerk unverzüglich zurück und nehmen Sie bitte endlich auch im Bereich Mobilfunk ihre Verantwortung für den Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen wahr.
Mit den Senderbetreibern haben Sie im letzten Herbst Gespräche geführt. Bitte lassen Sie auch mich und andere Direktbetroffene endlich zu Wort kommen.
Ich vertraue auf Ihre Einsicht und freue mich, von Ihnen zu hören!
Mit den besten Grüssen
Briefwechsel mit Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga
Link zu: Brief einer Betroffenen an Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga
Link zu: Antwortschreiben auf den Brief vom März 21 an Simonetta Sommaruga
Link zu: Brief an Karin Schneeberger BAFU
Link zu: Mail an Simonetta Sommaruga 17.07.2021
IG Hadlikon
Hadlikon, 22. Oktober 2018
IG Hadlikon
Schutz vor flächendeckender Mobilfunk-Dauerbestrahlung
Wer sind wir, und was machen wir?
Die IG Hadlikon ist ein loser Verbund von Personen, die sich für den Schutz und die Vorsorge vor Gesundheitsschäden aus Mobilfunkstrahlung einsetzen, insbesondere auch in Bezug auf Mittel- und Langzeitrisiken im nichtthermischen Niedrigdosisbereich unterhalb der NISV-Grenzwerte.
- Mitglieder der IG Hadlikon für antennenfreie Wohnzonen führen derzeit ein Rechtsverfahren gegen die Baubewilligung einer Mobilfunkantenne in ihrem Dorf, in dem sie unter anderem im Sinne einer Notmassnahme beantragen, dass Hadlikon als antennenfreie Zone ausgeschieden wird, sinngemäss zu rauchfreien Zonen, in Beachtung des Gleichheitsgebots bzw. des Diskriminierungsverbots. Sie fordern die Durchführung der akzessorische Normenkontrolle, das heisst, die Überprüfung der Schweizer Strahlenschutzverordnung im Hinblick auf eine Verletzung von übergeordnetem Recht im konkreten Fall Hadlikon. Das Verfahren ist zur Zeit beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hängig. Im Falle eines Unterliegens beim Verwaltungsgericht gehen die Beschwerdeführenden mit dem Fall ans Bundesgericht sowie an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
- Zur Unterstützung ihres Anliegens auf der politischen Ebene hat die IG Hadlikon für antennenfreie Wohnzonen am 9. Februar 2018 eine Petition in Bern eingereicht, adressiert an fünf Bundesratsdepartemente, das Parlament sowie an die Bundesämter BAFU (Bundesamt für Umwelt) und BAG (Bundesamt für Gesundheit). Zusätzlich wurden Bundesratsmitglieder und die Mitglieder der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen sowie die Kommissionen für Rechtsfragen des Nationalrates und des Ständerates direkt angeschrieben, um sie für das dringliche Problem in Bezug auf die Volksgesundheit und die Verletzung von übergeordnetem Recht zu sensibilisieren. Beim Problemkreis des flächendeckenden Mobilfunks handelt es sich nach Meinung der Initianten der Petition in erster Linie um juristische und nicht um technische
Rechtliche Situation in der Schweiz im Zusammenhang mit Mobilfunk
In den zahlreichen Rechtsverfahren im Zusammenhang mit Mobilfunk seit Inkraftsetzung der NIS-Verordnung vor bald zwanzig Jahren zeigt sich heute ein übereinstimmendes Bild, wonach bei Einhaltung der Grenzwerte auf keinem Rechtsgebiet, weder in öffentlich-rechtlichen noch in privat-rechtlichen Rechtsverfahren, Grundrechtsverletzungen wirksam geltend gemacht werden können. Dies bedeutet, dass es in der Schweiz keine wirksamen Rechtsmittel gibt zum Schutz bzw. zur Vorsorge vor Schäden aus nichtthermisch bedingten Mittel- und Langzeitschäden durch Mobilfunkstrahlung sowie zum Schutz des Privateigentums.
- Unterhalb der NISV-Grenzwerte wird in Bezug auf umweltrechtliche Rügen kein Entscheid in der Sache gefällt.
- Auf eine Beweiswürdigung wird verzichtet und stattdessen auf die Einhaltung der NISV-Grenzwerte verwiesen, welche im internationalen Vergleich angeblich tief seien.
- Es wird behauptet, dass der wissenschaftliche Nachweis für Gesundheitsschäden im Niedrigdosisbereich noch nicht hinreichend erbracht seien und deshalb eine Revision des NISV-Grenzwertmodells nicht notwendig sei.
- Massgebend für die Beurteilung der Immissionen bzw. Emissionen und die damit verbundenen Grundrechtsverletzungen sei das Empfinden des „Durchschnittsmenschen“, und das subjektive Empfinden von elektrosensiblen Personen sei nicht relevant.
- Übermässige Immissionen im Sinne von ZGB 679 und 684 können im Zusammenhang mit Mobilfunkimmissionen nur dann geltend gemacht werden, wenn die NISV-Grenzwerte überschritten werden. Entsprechende Beschwerden gegen Antennenbauvorhaben werden zudem auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
- Das Bundesgericht geht in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass wenn ein echter Normkonflikt zwischen Bundes- und Völkerrecht besteht, grundsätzlich die völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz vorgehe und eine dem Völkerrecht entgegenstehende Bundesgesetzgebung regelmässig unanwendbar sei.
Tatsache ist, dass mit der geltenden NISV-Rechtspraxis dem Bürger Grundrechte für den Schutz von eminent wichtigen Rechtsgütern verweigert werden. Die Betroffenen sind zunehmend schutzlos einer flächendeckend einwirkenden „Zwangsbestrahlung“ ausgeliefert, auch in ihrem Wohn- und Schlafbereich. Dies ist besonders gravierend für die inzwischen um die 10 % der Schweizer Bevölkerung, die heute als elektrosensibel gelten und zwingend auf einen Lebensraum angewiesen sind, wo sie nicht Tag und Nacht der Funkstrahlung ausgesetzt sind. Es ist zudem bekannt, dass Kinder und Jugendliche ganz besonders gefährdet sind. Aufgrund der vorliegenden Datenbasis muss heute von einem objektiven Schaden ausgegangen werden. Dies sowohl hinsichtlich der direkten Auswirkungen der Immissionen auf viele elektrosensible Menschen wie auch deren Folgen für die Betroffenen, wie Arbeitsplatzverlust oder Flüchtlingsleben im eigenen Land. Die Voraussetzungen gemäss Umweltschutzgesetz für die Revision des NISV-Grenzwertmodells - welches die Gleichstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrung vorschreibt - sind heute erfüllt.
Obschon sich die Beweislage in den letzten Jahren verdichtet hat und immer mehr besorgte Wissenschaftler und Ärzte warnen vor den gesundheitlichen Risiken der heute eingesetzten Funktechnologien, gelingt es zur Zeit nicht, in Gerichtsverfahren mit Argumenten und Beweisen in Bezug auf Gesundheitsschutz und Schutz des Privateigentums durchzudringen, solange die NISV-Grenzwerte eingehalten sind.
In der Zwischenzeit macht das Telefonieren mit dem Handy nur noch etwa 3 % der genutzten Mobilfunkdienstleistungen aus. Der Rest ist reiner Kommerz und Datenmanagement. Diese Art von Dienstleistungen hat sich weit vom Grundversorgungsauftrag gemäss Fernmeldegesetz wegbewegt. Es fehlt nach Meinung der IG Hadlikon zudem eine gesetzliche Grundlage für die sogenannte Indoorversorgung bzw. „Zwangsbestrahlung“ mit Funkstrahlung.
Gemäss einem kürzlich veröffentlichten Interview mit Simonetta Sommaruga im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Selbstbestimmunginitiative vom 25.11.2018 (ZO/AvU vom 2.10.2018) bestätigt die Justizministerin, dass sich die Schweiz an die Verträge hält, die sie abgeschlossen hat. Es geht hier nicht einfach darum, ob internationales Recht über Bundesrecht gestellt wird, sondern vor allem darum, das die Schweiz ihre eigenen Gesetze und die Bundesverfassung einhält.
Geplante Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
Mit dem Ziel, den mit der Schweizer NISV-Vollzugspraxis geschaffenen rechtlichen Missstand zu beseitigen, plant die IG Hadlikon, eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einzureichen. Sie fordert den EGMR auf, die Schweizerische Eidgenossenschaft und den Bundesrat anzuweisen, die Grundrechte gemäss den Konventionen gemäss EMRK zu achten und einzuhalten.
Unabhängig der individuellen Opfersituation der an der Klage beteiligten Personen soll geltend gemacht werden, dass die Schweiz mit ihrer NISV-Rechtspraxis in Bezug auf ein faires Verfahren notorisch gegen Artikel 6 EMRK verstösst:
- In der Schweiz fehlen effektive innerstaatliche Rechtsmittel bzw. ein wirksamer Rechtsbehelf zum Schutz vor Mobilfunk-Immissionen unterhalb der NISV-Grenzwerte.
- Unterhalb der NISV-Grenzwerte wird die Beweiswürdigung in Bezug auf Gesundheitsrisiken im nichtthermischen Leistungsbereich und die persönliche Opfersituation verweigert.
- Es wird kein Entscheid in der Sache gefällt, wenn die NISV-Grenzwerte eingehalten sind, weder in öffentlich-rechtlichen noch in privat-rechtlichen Verfahren.
- Die NISV als bundesrätliche Verordnung ist gemäss Bundesgericht in der Schweiz mit keinem Rechtsmittel anfechtbar.
Das reguläre Verfahrensprozedere des EGMR schreibt vor, dass vor dem Gang nach Strassburg die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft werden müssen, bevor innerhalb von sechs Monaten ab einem höchstrichterlichen nationalen Gerichtsurteil in Strassburg eine Beschwerde einreicht werden kann. Der Europäische Gerichtshof hält in seinem Merkblatt zum Ausfüllen des Beschwerdeformulars aber auch ganz klar fest, dass von Anbeginn unwirksame innerstaatliche Rechtsmittel nicht ergriffen werden müssen bzw. dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden dürfen. Dies bedeutet, dass der innerstaatliche Rechtsweg bereits dann erschöpft ist, wenn die NISV in einem konkreten Gerichtsverfahren zur Anwendung kommt. Damit kann nach dem Rechtsverständnis der IG Hadlikon jede Person eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen, die in einem unter die NISV-Vollzugsregelung fallenden Mobilfunk-Rechtsverfahren involviert ist. Entsprechende Formulare können beim Europäischen Gerichtshof heruntergeladen und die obigen Rügen geltend gemacht werden.
Unterstützung anderer Betroffener und Gruppierungen
Mit der flächendeckenden Aufrüstung für 5G hat eine neue Flut von Antennengesuchen eingesetzt. Dabei drängen die leistungsstarken Antennen immer mehr in Wohnquartiere vor. Die Anzahl hilfesuchender Anwohner nimmt ständig zu. Immer mehr Menschen kämpfen gegen Antennenprojekte neben ihren Wohnhäusern, Spielplätzen, Alternsheimen und Schulhäusern. Die meisten Betroffenen sind dabei in der komplexen technischen und rechtlichen Materie überfordert. Ein Verfahren mit einem Rechtsanwalt ist kostspielig und für viele unerschwinglich. Deshalb versucht die IG Hadlikon, andere Betroffene und Gruppierungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen und ihnen ihre eigenen Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Dabei ist sie selber um fachliche wie auch finanzielle Unterstützung dankbar.
Die IG Hadlikon setzt sich mit ihrem Engagement dafür ein, dass die Grundrechte auch im Zusammenhang mit Mobilfunk respektiert werden. Sie fordert, dass gesundheitsverträgliche Alternativen gefördert und das inzwischen überholte thermische NISV- bzw. ICNIRP- Grenzwertmodell revidiert wird. Die IG Hadlikon hofft, dass möglichst viele Bürger endlich erkennen, dass die laufend steigende Strahlenbelastung in ihrem Lebensalltag nicht nur für elektrosensible Personen sondern für die gesamte Bevölkerung und die Natur negative Auswirkungen hat, also auch auf diejenigen, welche keine unmittelbaren Symptome wahrnehmen. Die IG Hadlikon wünscht sich auch, dass Entscheidungsträger in Behörden und Schulen sowie Richter und Politiker endlich den Mut haben, ihre Verantwortung wahrzunehmen und bei ihren Entscheidungen und Urteilen das höchste Rechtsgut überhaupt, Gesundheit und Leben - im Sinne eines übergeordneten öffentlichen Interesses - über rein kommerzielle Interessen zu stellen.
Für die IG Hadlikon:
Osi Achermann Kathrin Luginbühl
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Spendenkonto: Bank Clientis, CH - 8340 Hinwil, PC 30-38225-3,
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